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Social Media am Arbeitsplatz: Facebook sperren macht dumm

In einigen Jahren werden Social Media-Tools im Unternehmen unentbehrlich sein. Trotzdem versperren viele Unternehmen ihren Mitarbeitenden den Zugang zu Facebook und anderen Social Media-Sites. Damit verhindern sie, dass die Mitarbeitenden lernen, mit diesen Tools umzugehen.

Im Ring stehen sich zwei Kontrahenten gegenüber. In der einen Ecke Unternehmen, die den Zugang zu Social Media-Plattformen wie Facebook und Blogs sperren. In der anderen sehen wir Unternehmen wie IBM, die ihre Mitarbeitenden auffordern, sich am Social Web zu beteiligen. Die Diskussion wird vielfach auf der ökonomischen Ebene geführt – eine Argumentation, die wohl noch zu kurz greift. Unbefriedigende Argumente auf beiden Seiten: Das blaue Sofa wegsperren

Unternehmen, die den Zugang sperren , berufen sich auf ihre Internet-Traffic-Statistiken. Tatsächlich kenne ich Organisationen, bei denen Facebook auf Platz eins der meistbesuchten Seiten liegt. Mit astronomischer Nutzungsdauer, die die Frage aufkommen lassen, ob dort noch jemand arbeitet: Täglich verbringen die Mitarbeitenden mehrere Stunden auf dem blauen Internet-Sofa.

Bei mir löst das eine Reihe von Fragen aus: Bemerken Vorgesetzte das erst anhand des Traffics? Mitarbeitende sind dazu da, Resultate zu liefern, die ja ausbleiben müssten. Merkt das niemand? Bleibt da nicht haufenweise Arbeit liegen? Und die zweite Frage: Wenn der Zugang gesperrt wird, verbringen diese Mitarbeitenden die «frei» gewordene Zeit mit Arbeiten? Oder surfen sie per Smartphone im Internet? In meiner Jugendzeit war es durchaus üblich, Kollegen dabei zu beobachten, wie sie mit der Zeitung unter dem Arm Richtung Toilette gingen. Sind Mitarbeitende, die Zeit vertrödeln, ein IT- oder ein Führungsproblem?

Ich sehe, dass in vielen Unternehmen viel Zeit draufgeht, weil zu viele Leute zu viel Zeit auf Social Media-Websites verbringen. Ich frage mich nur, ob ein Sperren des Zugangs eine effektive Lösung ist oder ob man es sich damit nicht ein wenig einfach macht.

IBM spart 4 Millionen!

Auf der anderen Seite haben wir Unternehmen, die den Einsatz von Social Media forcieren. IBM ist ein Beispiel, das sogar behauptet, dank Social Media Geld zu sparen: Jährlich rund vier Millionen Dollar würde IBM dank geringerer Reisekosten sparen, wie Forrester Research in einer Studie rausgefunden haben will. Das tönt beeindruckend.

Allerdings muss man sich vielleicht die Relationen in Erinnerung rufen. IBM ist ein Unternehmen mit 400'000 Mitarbeitenden und 97 Milliarden Dollar Umsatz. Grob gerechnet heisst das, dass pro Mitarbeitenden etwa 10 Dollar pro Jahr eingespart werden. Ein mittelständisches Unternehmen mit 100 Mitarbeitenden könnte dank Social Media also mit Einsparungen von rund 1000 Dollar rechnen. Irgendwie auch nicht das Killer-Argument für den Social Media-Case.

Beide Seiten führen Argumente ins Feld, die mich unbefriedigt zurück lassen. Vielleicht führen wir die falsche Diskussion, wenn wir über Zeit und Geld reden. Versteht mich nicht falsch: Es geht am Ende immer um Zeit und Geld und ich hab ja auch mal Ökonomie studiert. Aber vielleicht können wir diese Diskussion im Moment noch nicht führen, weil wir noch nicht die richtigen Messinstrumente haben.

Was bringt Social Media?

Ich glaube, Social Media im Unternehmen bedeutet zuerst eine qualitative Verbesserung des Arbeitens. Diese qualitative Verbesserung führt zu quantitativen und damit finanziellen Verbesserungen. Nur wird es bei vorwiegend wissens- und beziehungsbasierten Tätigkeiten immer schwieriger, diese direkte Ursache-Wirkungs-Kette nachzuweisen. Verminderte Reisekosten auf Social Media-Einsatz zurückzuführen ist ein ein etwas hilfloser Versuch, der gerade noch funktionieren mag. Potenzielle Verbesserungen und Gewinne können aber nicht so direkt gemessen werden. Trotzdem sind sind da. Hier nur mal drei Beispiele:

  • Die Wissensarbeit: Es ist unbestritten, dass Unternehmen heute Geld mit Wissen verdienen. Wissen über Dienstleistungen, Prozesse, Märkte und Kunden. Dieses Wissen ist der Kern der Unternehmensleistung. Dieses Wissen muss ein Unternehmen erhalten, vermehren und nutzbar machen. Diese Erkenntnis ist nicht neu: Die letzte Knowledge Management-Welle sahen wir vor 15 Jahren. Viele neue bunte Tools sprossen damals aus dem Boden und verwelkten innert Wochen: etwa die Skills-Datenbanken oder unternehmensinterne «Yellow Pages» für Experten. Social Media kann eine neue Lösung für dieses Problem sein. Nicht nur wegen neuen Tools, sondern weil ein anderes Verständnis dahinter steht: Man kann Wissen nicht managen. Aber man kann eine Umgebung schaffen und Instrumente installieren, die ein Vermehren und Verteilen dieser Ressource fördern. Blogs, Wikis, Foren oder Chats sind bereits in vielen Organisationen im Einsatz.

  • Die Ausbildung: 80% dessen, was wir wissen und können haben wir auf informellem Weg gelernt: Durch Abschauen, Nachmachen, Fragen von Kollegen, Lesen von Fachartikeln oder durch Gespräche am Kaffeeautomaten. Nur 20% unserer Kompetenzen haben wir in formalen Gefässen wie Kursen oder Seminaren erworben. Trotzdem stecken Unternehmen 100% ihres Ausbildungsbudgets in formale Gefässe. Das ist eine auffällig ineffiziente Allokation von Ressourcen. Es tut sich allerdings etwas: Immer mehr Trainingsverantwortliche werden sich des Themas bewusst. Sie fragen sich, wie man dieses «Lernen voneinander» unterstützen kann. Sie beginnen, Social Media-Tools dafür zu entdecken und einzusetzen.

  • Das Marketing: Für Marketer und Werber liegen die Vorteile auf der Hand: Social Media erlaubt den direkten Draht zum Kunden. Ich kann mich mit meinen Anspruchsgruppen unterhalten, ohne den Umweg über traditionelle Medien wie Zeitungen, Fernsehen oder Radio gehen zu müssen. Nicht nur der Umweg bleibt mir erspart, meine Gesprächspartner – Kunden, Interessenten oder andere Stakeholder – können mir sogar direkt antworten. Kein Wunder also sehen viele Unternehmen in diesen neuen Tools eine Möglichkeit, um sich im Markt zu positionieren und das Vertrauen ihrer Zielgruppe zu erwerben.

Was braucht Social Media?

Vielversprechende Einsatzmöglichkeiten für Social Media im Unternehmen gibt es genug. Vorausgesetzt ein Unternehmen geht es richtig an, lässt sich damit der Unternehmensgewinn positiv beeinflussen. Dieser Einfluss wird grösser sein als die verlorene Arbeitszeit auf Facebook oder die eingesparten Reisekosten. Allerdings kann man dabei vieles falsch machen. Drei Punkte, die man aber unbedingt berücksichtigen sollte:

  1. Strategie. Der Einsatz von Social Media in einem Unternehmen sollte ein Ziel haben und auf einer Strategie basieren, egal ob es um Lernen oder Verkaufen geht. Das ist banal. Aber ehrlich gesagt: Wir haben alle schon Initiativen erlebt, bei denen das Tool im Vordergrund stand. Das Tool wurde eingesetzt, weil es neu war oder weil es der Konkurrent einsetzte («Müssen wir auch haben!»). Oft aber fehlte der Plan dazu. Also auch hier: Es ist unternehmerische Pflicht, eine klare Strategie zu formulieren und umzusetzen. Alles andere ist Basteln.

  2. Vertrauen. Es gilt Abschied zu nehmen von der Idee, dass ein Unternehmen gewisse Dinge «managen» kann. Wir können Wissen, das in den Köpfen von Mitarbeitenden ist, nicht managen. Wir können Lernen, dass ebenfalls an diesem dunklen Ort geschieht, nicht managen. Wir können nicht kontrollieren, über was sich die Menschen unterhalten. Aber ein Unternehmen kann alle diese Dinge im eigenen Sinne fördern, ermöglichen, anregen und beeinflussen. Ein Unternehmen kann eine Umgebung mit Instrumenten und Kanälen schaffen, in dem diese Dinge möglich werden, wenn die Menschen das wollen.

  3. Kompetenzen. Wenn ein Unternehmen Social Media-Tools einsetzen will, braucht es Mitarbeitende, die damit umgehen können. Die eigene Erfahrungen gemacht haben und, ja, auch «in dieser Welt leben». Weil es eine ganz eigene Kompetenz ist, sinnvoll mit einem Chat umzugehen. Weil man wissen muss, wie sich eine Information auf Facebook verhält und verbreitet. Das ist niemandem in die Wiege gelegt, nicht mal den angeblichen «Digital Natives». Also müssen wir es lernen.

Wir müssen alle lernen

Social Media ist heute ein Hype und wir sind in einer Phase des Experimentes. Es gibt wenig Gesichertes. Aber was sich sagen lässt: Social Media wird nicht verschwinden, die Potenziale sind gross und das Risiko ist kalkulierbar. Eine unternehmerisch geführte Organisation muss diese Chancen zumindest prüfen – eine reflexartige und umfassende Ablehnung bezeichne ich heute als fahrlässig und verantwortungslos.

Um diese Chance aber wahrnehmen zu können, brauchen Mitarbeitende und die Organisation als Ganzes neue Kompetenzen. Facebook und andere Social Media-Seiten zu sperren bewirkt genau das Gegenteil: Die Organisation hält sich und die Mitarbeitenden dumm.

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